Gaadt 4; Hüs 116; Die "Alte Friesenstube" und ihre Geschichte vielleicht das älteste Haus auf Sylt "Das Haus der sieben Schimmel"

 

Das alte Friesenhaus im Gaadt 16 in Westerland auf Sylt, wird meistens als das älteste Haus der Insel betrachtet, schon 1648 soll das Haus erbaut worden sein*.

Falls das Haus 1648 erbaut wurde, war der erste Besitzer ein "Knut Andresen" der 1653 in einer Auflistung der Männer in Westerland an ähnlicher Stelle vorkam. Möglicherweise war er ein Sohn des "Andreas Taken" der schon 1624 an ähnlicher Stelle im Steuerregister erwähnt wurde (möglicherweise baute Andreas Taken das Haus oder zumindest ein erstes Haus auf dem Grundstück).

1680 wurde die Scheune ans Haus angebaut.

1689 und 1704 fand man in den Steuerlisten nur "Andres Knudten", wohl ein Sohn des Knut Andresen, als Besitzer.

1709 fand man dann seinen Sohn "Boh Andresen" als Besitzer.

Boh Andresen (*14.10.1673 +9.11.1747 Haus 111) heiratete um 1708 Marrin Hansen (*6.8.1676 Braderup; +10.10.1764 Haus 116)

Sie hatten mehrere Kinder:

1709 wurde über das Haus 116 und Boh Andresen in der "Anschreibung der Hußen & Ländereyen" folgendes berichtet:
"1) Zum Land:
- Kann 1 Fuder Heu bergen vom Wert a 2 Mark.
- Säet im Jahr 3 Schip Roggen und 1/2 Tonne Gärsten
Kann während ein Jahr ein Schip Saat Landes gelten 5 Mark etlicher maßen 10
- hat nichts davon veräußert.
2) Tiere:
- ein kleines Pferd
- eine Kuh
- 6 Schafe
Heuer Weyde ist hier nicht, Andern müßen unsere Beesten auf fremder Weyde halten, auf List gilt ein Stück Vieh zu gräßen und weyden 1 und ein gilt 3.
3) Das Haus besteht aus:
- ein klein Kammer Stube und Außendiehl von 5 Fach
- Droschlohe und Stall 3 Fach
- alles in geringem Stande.

4) Hat keine Fischerey als was er in der saltzen See mit großer Mühe fangen kann, zu sein und der Seinigen nothwendigen Unterhalt, welche Fischerey ungewiß ist.
5) Hat keine Nahrung als die Seefahrt.
6) Solange die Seefahrt glücket und Gott ihn in diesem Stande läßt, kann er praestanda praestiren."

Der Sohn, Andreas Bohn heiratete vermutlich um 1740, Gondel Peter Sörens aus Wenningstedt (*31.10.1705 Wenningstedt; +16.6.1802 Wenningstedt) und hatte mit ihr 1741 den Sohn Peter Andresen

Andreas' Geschwister und Eltern zogen zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Haus daneben, Haus 111.

Schon vor 1745 starb Andreas Bohn, wahrscheinlich, wie so viele, auf See.

1745 wurde das heutige Haus bewohnt von:

  • Peter Andresen (*1741) 
  • und seine Mutter, die Witwe Gondel Andresen (Gondel Peter Sörens)

Peter Andresen und Gondel zogen danach nach Wenningstedt und die Schwiegermutter von Gondel zog aus dem Haus 111 her. Peter Andresen heiratete am 20.3.1783 Inge Peter Knuten (*6.11.1750 Haus 99; +12.4.1838 Wenningstedt), sie wohnten in Wenningstedt.

Möglicherweise geschah dies um 1748 als Peter Boh Andresen, Gondel's Schwager, heiratete, und somit alleine im Haus 111 wohnen wollte.

1754 lebten in dem Haus:

Marin Bohn (Marrin Hansen aus Braderup *1676 in Braderup, Witwe des Boh Andresen; +10.10.1764 Haus 116) und ihre Tochter Inge Boh Andresen (*2.7.1710; +29.1.1794 Haus 116)

1760 heiratete Inge den Dänen & Tagelöhner Nickels Jensen (*1731 auf der Insel Mors; +5.2.1785 Haus 116).

Am 10.10.1764 starb Marrin Bohn / Hansen.

1778 bekam dieser Staven (damalige HausNr. 115; Nickels Jensen) einen Anteil an den Gemeindeländereien: 1/2 Los

Am 5.2.1785 starb Nickels Jensen.

Danach wohnte die Witwe Inge alleine in dem Haus und starb am 29.1.1794.

Im selben Jahr erwarb der am 16.1.1794 verheiratete Kapitän Michel Boysen (*21.7.1772 Haus 92; +1800 in Dakar (Afrika, heute Senegal)) mit seiner Ehefrau Erkel Ebe Pohn (*2.10.1768 im Haus 61; +3.1.1850 Haus 116) das Haus.

Ihnen wurden zwei Kinder geboren:

1800 starb Michel Boysen in Dakar (Afrika), an Fieber. 

1803 wohnten im Haus dann: Die Witwe Erkel (lebte von ihrer Hände Arbeit) sowie ihre zwei Kinder.

1822 wurde Merret ein uneheliches Kind geboren, Michel Boy Matzen, Sohn des Christian Matz Christiansen (*4.6.1798 Mögeltondern; +12.6.1856 in der Nordsee)

Am 16.11.1823 heiratete Boy Michel Boysen Anna Maria Munk (*23.8.1802 Tinnum; +15.9.1858 Haus 49) und zog mit ihr in das Haus 82

Am 13.10.1824 heiratete Merret Michel Boysen den Vater ihres unehelichen Kindes, den Dänen Christian Matz Christiansen (*4.6.1798 Mögeltondern; +12.6.1856 in der Nordsee), er zog in das Haus.

Ihnen wurden in den folgenden Jahren noch 8 Kinder geboren:

Wegen den sieben Töchtern wurde das Haus auch "Das Haus der sieben Schimmel" genannt.

1835 & 1840 wohnten im Haus: Die Witwe Erkel, ihr Schwiegersohn Christian Matzen (Fuhrmann) und seine Ehefrau Merret sowie die Kinder (1840 fuhr Sohn Michel Boy Matzen zur See).
Außerdem wohnte 1835 & 1840 noch ein Dienstmädchen im Haus: Merret Erk Peters (*26.8.1814 Haus 101; +13.9.1874 
Haus 71). Am 21.5.1842 wurde dem Dienstmädchen ein uneheliches Kind geboren Erkel Christian Madsen (Christian Matz Christiansen war der Vater!; +?); Merret zog daraufhin mit ihrem Kind in das Haus 35, sie heiratete dann am 19.2.1854 Carsten Hans Carstens (*8.3.1813 Haus 11, wohnhaft Haus 71; +24.11.1878 Haus 71) und zog zu ihm ins Haus 71.

Am 19.6.1842 starb der Sohn Michel Boy Matzen auf See.

1845 wohnten im Haus: Die Witwe (Landwirtin) Erkel, sowie ihre Tochter Merret und ihr Mann Christian Matzen (Fuhrmann), sowie die gemeinsamen Kinder.

Am 3.1.1850 starb Erkel Ebe Pohn.

Am 9.12.1855 heiratete Andreas Claas Matzen, die Maria Pauline Thedsen (*6.7.1834 Rantum; +10.9.1917 Haus 116), sie zog  ein.

Der Hausbesitzer, Christian Matz Christiansen starb am 12.6.1856 in der Nordsee beim Fischen, zusammen mit Boy Meinert Prott (*17.4.1795 Haus 93) und seinem Bruder Erk Meinert Prott (*25.8.1798 Haus 93) beide wohnten im Haus 93.

Am 6.7.1856 wurde Christian Andreas Dirk Matzen geboren (+27.7.1916 Königsberg/Kaliningrad), das erste Kind des Andreas Claas Matzen und seiner Ehefrau Maria Pauline Thedsen. 
  • Christian heiratete am 4.10.1885 Caroline Adele Jansen (*28.8.1858 Wenningstedt; +25.4.1926 Westerland), zog nach Wenningstedt
Andreas Claas Matzen und seine Ehefrau hatten danach noch viele weiteren Kinder:
1860 wohnten im Haus: Die Witwe Merret Michel Boysen, ihr Sohn Andreas (Zimmermann) und dessen Frau Maria sowie deren Kinder.
Außerdem wohnten im Haus noch ein Dienstmädchen: Blondine Sophie Mathilde Laubinger (*um 1830 Kiel) sowie ein Pensionär: Sören Svendsen (Zimmermann; *um 1838 Hoyer DK)

Am 12.6.1885 starb die alte Witwe Merret Michel Boysen.

Der Sohn Michel Boy Matzen heiratete am 12.4.1896, Lina Neumann (*31.12.1869 Bladiau Ostpreußen), sie zog ein.
Nach dem Tod von Andreas Claas Matzen am 3.6.1905, übernahm Michel Boy Matzen den Hof.

Doch nachdem Michel's Mutter Maria Pauline Thedsen am 10.9.1917 starb, kurz gefolgt von Michel's Ehefrau Lina am 23.6.1919, verkaufte Michel das Haus und zog nach Tinnum.
Dort heiratete Michel 1921 erneut, Anna Petersen (*19.10.1886 Horsbüll; +2.3.1976 Tinnum).

Um 1920 kaufte ein Emil Duus das Haus

um 1925 gehörte es einem Herr Müller-Heimer

1933 wurde die Scheune abgebrochen; dabei fand man einen Stein mit der Jahreszahl 1680.

Ebenfalls wurden auf dem Grundstück zwei Grabsteine gefunden,
der von Bunde Andresen Hahn (*25.9.1711 Haus 16, +7.8.1779, wohnte im Haus 16)
und der Grabstein von Inge Dirk Boysen (= Inge Schwen Bundis; geboren Haus 107, +22.1.1815 Haus 28)
Wie genau diese Grabsteine hierher kamen ist unbekannt.

In den 1930er Jahren wohnten auch Arthur Schliesske (*1908; +1961) und seine Frau Hertha (*1909; +2000) in dem Haus.
Sie zogen danach in den Inken-Michels-Weg.

Im 2ten Weltkrieg wurde das Haus durch eine Bombe beschädigt.

1950 gehörte das Haus Paul Peters aus Flensburg, welcher dort 1955 die Gaststätte "Zur alten Friesenstube" eröffnete

danach hatte das Haus mehrere unterschiedliche Pächter

1980 erwarb Claus Schacht aus Wenningstedt das Haus und sanierte es, bis heute ist dort das Restaurant "Alte Friesenstube"
Falls Familie Schacht das Haus nicht erworben hätte, könnte es jetzt schon längst abgerissen worden sein.
Die "Alte Friesenstube" im April 2022


Das "Haus der sieben Schimmel" um 1900


Die alte Friesenstube wahrscheinlich um 1930

 Die Alte Friesenstube um das Jahr 1950


Die Alte Friesenstube im Jahr 2013
(Danke an Dirk Jacobsen für die Bilder!)

* Anmerkung = Die Häuser in Westerland-Osterende, zb. das Haus Brönswai 5, stehen auf Grundstücken, welche wohl am längsten bebaut sind. Möglicherweise ist das Haus Brönswai 5 also älter, doch wurde dies 2019 zum Abriss freigegeben. Für mehr dazu siehe Haus 85 (Brönswai 5)


Ich freue mich über Kommentare, Berichtigungen und weitere Bilder des Hauses!

- Tanno Hüttenrauch

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